Der Raub der vier heiligen MarschÀlle

Es geschah in der Nacht zum 9. September 1980. Dunkle Gestalten schlichen in strömenden Regen auf den Heiligenberg zur Irmgardiskapelle, um dort den grĂ¶ĂŸten Kunstraub in der neueren SĂŒchtelner Stadtgeschichte zu begehen. Die TĂ€ter waren gezielt und planmĂ€ĂŸig vorgegangen, hatten die massive EichentĂŒre mit 20-Millimeter-Spiralbohrern regelrecht durchlöchert und so die innere Verriegelung gelöst. Ihr Ziel waren „Die vier heiligen MarschĂ€lle“. Die vier Heiligen, St. Antonius, St. Cornelius, St. Hubertus und St. Quirinus, wurden um 1520 in Antwerpen hergestellt und reprĂ€sentierten zum Zeitpunkt der Tat einen geschĂ€tzten Wert von 40.000 DM pro Figur. Zwar war die Figurengruppe allgemein durch die Diözese versichert, doch ihr Verlust war mit Geld nicht aufzuwiegen. Pastor Heinrich Dapper von St. Clemens bedauerte den großen Verlust der alten und wertvollen Figuren sehr. Da die Figuren von 1965 bis 1967 in der Werkstatt des Landeskonservators restauriert wurden, gab es detaillierte Beschreibungen. Doch obwohl die Kriminalpolizei sofort die Ermittlungen aufnahm, fanden sich keinerlei Hinweise auf die TĂ€ter oder das Diebesgut. Kriminal-Hauptkommissar Manfred Großjohann von der Kripo DĂŒlken vermutete, daß die TĂ€ter Profis gewesen sein mĂŒssen, denn sie hatten lange und schwer gearbeitet um die eicherne SeitentĂŒre zu öffnen. Nach seinen Erfahrungen sei der Kunst-Diebstahl nicht von örtlichen TĂ€tern begangen worden. Vermutlich hatten sie sich wenige Tage vor der Tat unter die Besucher der Irmgardis-Oktav gemischt, um die Örtlichkeiten auszuspionieren.

Die Ermittlungen verliefen jedoch im Sande und von den TĂ€tern fehlte jede Spur, bis knapp zwei Monate spĂ€ter bei der Krefelder Polizei ein anonymer Anruf einging. Die Beamten gingen dem Hinweis sofort nach und fanden in der Tiefgarage des Seidenweberhauses einen Karton mit ungewöhnlichem Inhalt. Zwei der gestohlenen Heiligenfiguren lagen dort, eingewickelt in eine verschmutzte braune Decke. Die verwendete Decke trug das Markenschild: „Zoeppritz Decke“ und der Karton war ein Umzugskarton der Krefelder Möbelspedition „Van Gemmern“. Die beiden gefundenen Figuren, St. Quirinus und St. Cornelius, waren zum GlĂŒck in einem recht guten Zustand. Nach der Spurensicherung wurden sie in das Schließfach einer Krefelder Bank verbracht, wo sich immer noch befinden. Von den anderen beiden Figuren, St. Hubertus und St. Antonius, fehlt auch heute, 22 Jahre nach dem Diebstahl, jede Spur.

Die beiden fehlenden Figuren wurden 1965 vor ihrer Restaurierung wie folgt beschrieben:

St. Antonius – Wie die drei anderen Figuren aus zwei hintereinander verleimten Platten zusammengesetzt. Abgebrochen sind ein breiter Holzspan auf der RĂŒckseite des Kopfes und vorne an der Plinthe, sowie das linke Ohr des Schweines. Fassung stark verrieben und nicht durchgehend erhalten, so daß sie auf der ganzen FlĂ€che stark ergĂ€nzt werden mußte. Der Heilige in der Tracht der Antonitermönche stĂŒtzt sich mit der Rechten auf einen KrĂŒckstock und hĂ€lt mit der Linken eine Glocke und, wie alle vier Heiligen dieser Gruppe, ein aufgeschlagenes Buch. Zu seinen FĂŒĂŸen als seine Attribute eine Flamme und ein Schwein.

St. Hubertus – Geweih des Hirsches und KrĂŒmme des Bischofsstabes abgebrochen. Zur Erstfassung gehören das Inkarnat des Heiligen und das Rotbraun des Hirsches. Die Verzierungen der Mitra schnitzerisch vorgeformt und vergoldet, jedoch stark abgerieben. Das Pluviale außen rot, innen blau-grau. Panzer und Kettenhemd darunter sind vergoldet, bzw. versilbert. Kleinere Fehlstellungen retuschiert. Der Heilige hĂ€lt mit der Rechten den Bischofsstab, zu seinen FĂŒĂŸen liegt ein Hirsch als sein Attribut.

Die Figuren sind 58 – 62 cm groß, teilweise in ursprĂŒnglicher farbiger Fassung und aus Eichenholz gefertigt. Ihre Herkunft ist durch das eingebrannte Zeichen einer Hand an der Plinthe des St. Hubertus belegt.

Die Verehrung der „Vier heiligen MarschĂ€lle“ war einst im ganzen Rheinland verbreitet. Sie fing im 14. Jahrhundert an, erreichte im 15. und 16. Jahrhundert einen Höhepunkt und begann im 17. Jahrhundert nachzulassen. Im Volk glaubte man, diese vier Heiligen stĂ€nden neben Gottes Thron und hĂ€tten besonderen Einfluß und fĂŒrbittende Macht. Ihre Verehrung war begrenzt auf die Gegend um Köln, LĂŒttich, Aachen, in der Eifel und am ganzen Niederrhein. Die vier heiligen MarschĂ€lle wurden als Helfer fĂŒr Menschen und Vieh angerufen. So gilt der hl. Antonius als Helfer bei Pest und ansteckenden Krankheiten, der hl. Cornelius bei KrĂ€mpfen und Epilepsie, der hl. Hubertus bei Tollwut und Hundebissen und der hl. Quirinus bei Kropfleiden, Blattern und Pocken. Antonius ist der Patron der Schweine, Cornelius der des Hornviehs, Hubertus der Hunde und Quirinus der Pferde.

Cornelius, Antonius, Quirinus und Hubertus - Die 2. und die 4. Figur sind bis heute verschwunden

Durch die, auf dieser alten Lithographie gut erkennbare, SeitentĂŒre drangen die Diebe in die Irmgardis-Kapelle ein.

Die fehlenden Antonius und Hubertus ( vor der Restaurierung )

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